Skandal: Zahlreiche Agrarbetriebe in illegales Besamungskartell verwickelt

Bauernbund und Landwirtschaftskammer sind in Aufruhr. Bei einer routinemäßigen Überprüfung der Zuchtbücher eines Waldviertler Agrarbetriebs wurden unfassbare Ungereimtheiten entdeckt, die auf ein weit reichendes Kartell mit Preisabsprachen und Kontingentvereinbarungen bei Besamungen hinweisen.

Der geile Fridolin

Der geile Fridolin, Außen pfui, innen hui.

(np.at) Weitra. „Sollten die ermittelnden Behörden mit ihrem Verdacht richtig liegen, wird die gesamte Rinderzucht Österreichs, wenn nicht ganz Mitteleuropas von einem unerhörten Skandal erschüttert“, so Heinz-Werner Waldorf, Sprecher der Stabsstelle Besamung (Abteilung VI) der Landwirtschaftskammer.

Der bisherige Ermittlungsstand habe ergeben, dass rund 80% der Betriebe betroffen sein sollen. Durch illegale Preisabsprachen, nicht eingehaltene Kontingentierungen und schwer kontrollierbares „Direkteinspritzen“, wie der Vorgang der natürlichen Befruchtung in Besamungskreisen zynischerweise bezeichnet wird, sei ein volkswirtschaftlicher Gesamtschaden von rund 3,5 Millionen Euro entstanden. Der größte Teil davon, etwa 2 Millionen Euro, ergäbe sich durch entgangene Steuereinnahmen, der Rest entfiele zu gleichen Teilen auf ungerechtfertigte Mehrkosten für Besamungsnehmer, veterinärmedizinische Folgekosten aufgrund minderwertigen Samenmaterials und – nicht zuletzt – tierpsychologische Mehraufwände aufgrund depressiver Verstimmung überbeanspruchter Zuchtbullen.

Fritz „the Bull“ Stauninger, Pressesprecher und Schriftführer der Bauernbund-Sektion Weitra Ost, zeigt sich im Gespräch mit neuepresse.at entsetzt: „Sehen Sie, es gibt da zum Beispiel unseren geilen Fridolin. Das ist ein Prachtkerl von einem Bullen. Der ganze Stolz der Zuchtregion Weitra, das sag‘ ich Ihnen! Der ist jetzt schon seit Jahren so ausgelaugt, dass er kaum noch Lust auf die dargebotenen Kühe hat und in weiterer Folge ständig durch kostspielige Tierstreichler und Psychologen wieder auf Vordermann gebracht werden muss. Es ist ein Drama. Echt, jetzt!“

Und Fridolin ist kein Einzelfall: Die tierischen Patienten, die bei Tierpsychologin Helga-Maria Blümelberger in ihrer Ordination in St. Dingens am Lande vorgestellt werden, sind oft zutiefst verstört, stark überfordert und immer häufiger depressiv verstimmt. „Die Tiere erleiden das, was man beim Menschen am ehesten als ‚Burn-Out‘ bezeichnen würde. Sie sind nicht mehr in der Lage, ihren Pflichten nachzukommen und die Lust auf Geschlechtsverkehr ist am Nullpunkt. Ein Horror für die Landwirte – und natürlich auch die willigen Kühe“, so Blümelberger.

Immer mehr Landwirte vertrauen sich nun mit ihren Schwierigkeiten der Landwirtschaftskammer an. In vielen Fällen kam es sogar zu Einschüchterungen durch Vertreter der Besamungsbetriebe, etwa mit der bösartigen Drohung (Zitat): „Pass‘ auf, der Stier kann sich ja beim Zielen ganz leicht verschauen und dann werden wir schon sehen, was die Bäurin davon hält.“

Ein namentlich der Redaktion bekanntes Opfer der mutmaßlichen mafiösen Umtriebe des Besamungskartells will sogar Zeuge geworden sein, als ein besonders dreister Besamer vor einer Landwirtin damit drohte, selbst ins Röhrchen zu ejakulieren, um dadurch das – ohnehin schon drastisch überteuerte – Samenmaterial bis zur Unverwendbarkeit mit seinem eigenen Erbmaterial zu kontaminieren.

Derzeit laufen lt. der ermittelnden Behörden zahlreiche Hausdurchsuchungen bei den der Absprachen verdächtigten Besamungsbetrieben, zu laufenden Verfahren dürfe man jedoch keine Auskünfte machen.

(Bild: Reginald Dierckx/flickr.com)

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